Deportation

  • Abtransport nach Riga

"Am 8. Dezember fuhren wir von Hünfeld mit dem Zug nach Kassel, schon an der Bahn wurden wir von der SS mit netten Worten und Fußtritten empfangen, sodass wir gleich den Vorgeschmack der Reise bekamen. In Kassel kamen wir in ein Sammellager, denn unser Transport bestand aus Menschen aus dem Kreis Hünfeld, Eschwege, Marburg und aus Kassel selbst. Wir waren ca. 1200 Personen. Die Ältesten waren über 70 Jahre und das jüngste Kind war 12 Wochen alt. In Kassel blieben wir über Nacht, dort wurden wir schon ausgeplündert. Stahluhren und Eheringe ließ man uns noch, aber nur kurze Zeit, denn später im Ghetto entledigte man uns auch dieser Sachen.

Am nächsten Tag, also am 9.12., fuhren wir in Kassel los. Uns transportierte man noch in richtigen Eisenbahnwaggons, aber diese waren für die nachkommenden Transporte scheinbar zu schade. Man verlud die Menschen in Waggons wie das Vieh, sodass natürlich in vielen Transporten bei der Ankunft eine Menge Menschen tot und irrsinnig waren.

Unsere Waggons waren trotz der wahnsinnigen Kälte nicht geheizt. Durst hatten wir, dass uns die Zunge am Gaumen klebte. Zu essen hatten wir nur die Brote, die wir noch von zu Hause bei uns hatten. Es gab Kranke in den Waggons, aber einen Arzt hatten wir nicht. Die Schwestern und Sanitäter haben, so gut sie konnten und Mittel hatten, Hilfe geleistet. Als Sanitäter war dabei unser Vetter Max aus Niedenstein, und Sohn Horst war Transport-Ordnungsmann. Unsere Nichte (Trude), Tochter von Josephs Schwester Berta (Kaiser) , war als Schwester und Frieda .... (unleserlich) die Frau von .... (unleserlich) war auch als Schwester (tätig).

Wir durften nur das Notwendigste mitnehmen, weil wir im Ghetto alles vorfinden würden. An Gepäck durften wir mitnehmen pro Person 50 kg und noch Handgepäck. Beim großen Gepäck waren wir gleich skeptisch, aber unser Handgepäck glaubten wir sicher, nachdem wir es doch bei uns hatten. Wir sahen weder das eine noch das andere wieder. Nur was wir an der Hand mitnahmen, hatten wir tatsächlich von unseren Sachen.

In Riga am Bahnhof (stand) eine Menge SS. Es war an dem Tag furchtbares Wetter, Glatteis, dass man kaum stehen konnte. In der Nähe des Bahnhofs standen Omnibusse, hiermit durften Alte und Kranke fahren. Unsere Mutter fuhr auch mit. Aber wir wussten gar nicht, dass hierbei eine so große Gefahr bestand, denn damals hatte man die Tücke dieser Banditen noch nicht richtig erkannt. Bei unserem Transport kamen diese Autos tatsächlich noch ins Ghetto, weil da die Löcher für die Massengräber noch nicht fertig waren. Diese mussten später unsere Männer schaufeln, die aber über ihre Tätigkeit größte Schweigepflicht hatten.

Unser Zug von etwa 1000 Menschen lief dann ca. zwei Stunden zu dem Ghetto hin. Viele warfen unterwegs unter dem Druck der Last noch von ihrem Gepäck fort."

 

  • Verschleppung nach Salaspils

"Ungefähr eine halbe Stunde bevor wir das Ghetto erreichten erging der Befehl, dass alle Männer von 17 bis 45 Jahren zur Seite treten möchten. Unser Transportleiter, Dan Blättner aus Kassel, sagte im Auftrag des Kommandanten, dass sie in ein Lager voraus gehen sollen, um es fertig zu bauen. In ca. acht Tagen kämen wir anderen nach. Da wurden schon viele Familien auseinander gerissen.

Die Männer kamen dann in das inzwischen bekannt gewordene Vernichtungslager Salaspils. In Salaspils starben die Menschen in Mengen durch Hunger, Kälte und teils Erschießen und Erhängen. Um immer eine bestimmte Zahl in Salaspils zu haben, sandte man dann aus dem Ghetto die bei den Appellen ausgesuchten Gruppen dorthin.

So kam auch Joseph nach 8-wöchentlichem Aufenthalt im Ghetto nach Salaspils. Von dort kam er nach 6 Monaten, als das Lager ziemlich aufgelöst wurde, ganz abgemagert ins Ghetto zurück. Insgesamt waren in diesem Lager 1.500 Männer, teils Kinder von 16 Jahren. Von diesen kamen nur ca. 600 wieder ins Ghetto zurück, aber zu Skeletten abgemagert, sodass von ihnen im Ghetto dann noch viele starben.“

 

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