Exkurs: Riga – Salaspils
- Ghetto Riga
Mit Massenerschießungen und brutalem Terror begannen unmittelbar nach Hitlers Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 die NS-Vernichtungsmaßnahmen gegen dien Juden. Mit äußerster Gewalt wurde die jüdische Bevölkerung eines jeweiligen Ortes in einen bestimmten Wohnbezirk gezwängt - das Ghetto: Gefängnis für Tausende, Durchgangsstation auf dem Weg in den Tod. Für viele Insassen der unzähligen großen und kleinen Ghettos bedeutete dieser Ort wegen der unbeschreiblichen Zustände -drangvolle Enge, mangelnde hygienische Einrichtungen, Hunger, Winterkälte, Krankheit, Seuchen sowie Erschießungen und Hinrichtungen- oft auch die letzte Station. Anfangs konnten die ghettoisierten und ihrer letzten Habseligkeiten beraubten Menschen noch an ihren Arbeitsplatz im jeweiligen "arischen" Stadtteil gehen. Doch eines Tages riegelten die deutschen Besatzer das Ghetto komplett ab, und jeder Versuch, es ohne Erlaubnis zu verlassen, wurde mit dem Tode geahndet.
Die Errichtung des Rigaer Judenghettos wurde am 23. August 1941 angeordnet. Am 25. Oktober schlossen sich die Tore hinter den etwa 30000 Rigaer Juden, die nun dicht gedrängt in einem eingezäunten und streng bewachten Teil der früheren "Moskauer Vorstadt" leben mussten. Dieses so genannte "Große Ghetto" wurde am 30. November und 8. Dezember 1941 "geräumt", wobei der größte Teil seiner Bewohner in einen Wald bei Rumbula getrieben und dort erbarmungslos umgebracht wurde. Das gesamte Lager verkürzte man in östlicher Richtung und zerteilte es in zwei durch Stacheldraht voneinander abgegrenzte Ghettos zu beiden Seiten der Hauptstraße. Eine größere Zahl Männer hatte man vor dem Massaker zur Arbeit ausgesondert und in den Behausungen nördlich der Hauptstraße, dem so genannten "Kleinen Ghetto" zusammengetrieben. In dem größeren Teil südlich der Hauptstraße (Leipziger Straße) begann man die ausländischen Juden unterzubringen, hauptsächlich Juden aus Deutschland - daher die Bezeichnung "Reichsjudenghetto". Die Straßen wurden nach Herkunftsorten der Transporte benannt. Die hier nach den genannten Liquidierungsaktionen noch verbliebenen Rigaer Juden -vorwiegend Frauen und Kinder- hatte man kurz vor dem Eintreffen des Kasseler Transportes am 12. Dezember 1941 kaltblütig erschossen.
Die erste Arbeit im Ghetto bestand für viele darin, die verlassenen Behausungen in dem liquidierten Teil auszuräumen, Wäsche und Hausrat für die Weiterverwertung durch die Nazis zu sortieren, zu bündeln und zu einem riesigen Schuppen zu karren. Nach und nach wurden die Häftlinge einem straff geordneten Zwangsarbeitssystem unterworfen und in so genannte Arbeitskommandos eingeteilt. Arbeitsfähige, die keine Arbeit im Ghetto selbst hatten, trieb die SS morgens in langen Kolonnen zu den Arbeitskommandos hinaus und abends wieder ins Ghetto zurück.
Spätestens ab Juli 1942 hatte in allen Ghettos im Osten der Abtransport in die Vernichtungslager begonnen. Das Rigaer Ghetto wurde am 2. November 1943 "geräumt", wobei sich die meisten der inhaftierten Menschen auf ihre letzte Fahrt begeben mussten - im Viehwaggon nach Auschwitz.
- Arbeitslager Salaspils
Das sogenannte "Arbeitserziehungslager" Salaspils, etwa 18 Kilometer von Riga entfernt, befand sich beim Eintreffen der jüdischen Häftlinge noch im Aufbau und ansonsten in einem katastrophalen Zustand. Männer aus dem "Kölner Transport" mussten im Dezember 1941 das Lager, welches sich "in einer unendlichen Schneewüste auf freiem Feld" befand, mit aufbauen. Auf brutalste Weise fand hier das Nazi-Konzept "Vernichtung durch Arbeit" seine Anwendung. Joseph Strauss berichtete um 1960: "Wir mussten bei einer Kälte von 45 Grad unter Null schwere Stämme aus dem Wald zum Sägewerk ziehen. Unsere Unterkünfte waren alte verlauste russische Baracken, die Kost eine Scheibe Brot, Wassersuppe und schwarzer Kaffee, so dass von den 1500 männlichen Personen täglich durch Hunger und Kälte eine Unmenge starben."
Zum Lager Salaspils gehörten drei Kriegsgefangenenlager, in denen bis Frühjahr 1942 mehr als 30000 sowjetische Gefangene umkamen. Auch befanden sich dort in den Jahren 1942 - 44 lettische Antifaschisten. Im Sommer 1942 wurden die Judenbaracken des Lagers liquidiert, nur wenige Häftlinge überlebten.