Eine originelle Episode aus der jüdischen Geschichte von Burghaun

Im Jahre 1588 lebten ganz offensichtlich seit Jahren mehrere Juden oder jüdische Familien in Burghaun. Das geht aus diversen alten Schriftstücken hervor, in denen die Burghauner Juden eines Zollvergehens bezichtigt werden. Sie sollen bei Kathus im Hersfeldischen „nächtlicher Weill“ den Zoll umgangen haben. Zwar lag die angebliche Übeltat nun schon drei Jahre zurück, aber dem Landesherrn Landgraf Wilhelm von Hessen war dieser Vorfall samt der eigenwilligen Regulierung durch seine Beamten in Rotenburg erst jetzt im Mai 1588 zu Ohren gekommen. Darauf schickte er einen Brief an sämtliche Herren von Haun, in dem er sie aufforderte, ihre Juden anzuhalten, bin­nen vier Wochen eine festgesetzte Geldbuße von 100 Gulden zu bezahlen. Andernfalls müssten sie mit Inhaftierung oder anderen Zwangsmaßnahmen rechnen.   

 

In Burghaun war man allerdings davon ausgegangen, dass diese Zollangelegenheit längst erledigt sei. Daher schrieb Ritter Wilhelm Rudolph von und zu Haun diesbezüglich seinem Landesfürsten einen ausführlichen Brief. Er fügte auch die Abschrift eines beweiskräftigen Schreibens hinzu, welches der Bebraer Jude Süßlein damals an den „Schutzjuden“ David gerichtet hatte, der dort im Dienst der Burghauner Ritter stand.

Kopf des Schreibens von Wilhelm Rudolf von und zu Haun an seinen Landesherrn vom 6. Juli 1588:

"Wilhelm von und zu Haun Dem Durchlauchtigen Hochgeborenen Fürsten und Herrn, Herrn Wilhelmen Landgrafen zu Hessen, Grafen zu Katzenellnbogen, Dietz, Ziegenhain und Nidda, meinem gnädigen Fürsten und Herren.

Betr. David Juden zu Haun, welcher .. dem Zoll Verfahren" 

 

Aus der umfangreichen Korrespondenz geht folgende Geschichte hervor:

 

Wilhelm Rudolph von Haun hatte seine Juden 1585, nachdem ihnen durch den Schult-heißen von Rotenburg ein Zollvergehen bei Kathus im Hersfelder Land vorgeworfen worden war, in der besagten Angelegenheit gründlich verhört:

Und habe ich Dasmahls meyne Jueden Vorgefordert, Und Ihnen solchs zum scherfsten Vorgehalten, sie haben aber solchs nicht gestehen Wollen.“ Vielmehr hatten sie er­klärt, sie wären nach Kathus gezogen und hät­ten „Dasselbsten Wie Von Alters herkommen, den Zoll gegebenn.“ Der Ritter hatte diesen Sachverhalt seinerzeit auch dem landesfürstlichen Rentmeister sowie dem Schultheißen in Rotenburg schriftlich mitgeteilt und hinzugefügt, „das ihm die Jueden nichts gestehen, Und in solchem Handell Unschuldig Und Unwissend kommen.“ Der Schultheiß bestand aber auf seinem Vorwurf und forderte erneut, dass die Burghauner Juden eine Strafe zu zahlen hätten.

 

Obwohl Wilhelm Rudolph eigentlich von der Unschuld seiner Juden überzeugt zu sein schien, fand er sich zu gewissen Zugeständnissen bereit: „Damit aber gleichwohl die Jueden allerdings nicht gahr Recht behaltenn“, hielt er es für angebracht, von ihnen einen „leidtlichen abtragk“ zu verlangen. Glücklicherweise fand sich ein Vermittler zwischen den Parteien, nämlich der Jude "Suesman zu Be­bra". Dieser beraumte einen Termin an und bat den "Da­vid zu Burg­haun", der als Bevollmächtigter der Burghauner Juden nach Bebra kommen sollte, in sein Haus, um dort zusammen mit dem Rotenburger Schultheißen wegen der Sache zu verhan­deln. Von dem landgräflichen Rentmeister in Rotenburg war nichts mehr zu befürchten, den hatte Suesmann bereits milde gestimmt. Nun galt es, mit dem Schult­heißen eine annehmbare Lösung zu finden, was auch auf sehr originelle Weise gelang. Statt einer Geldstrafe wurde in dem ausgehandelten Vergleich festgelegt: Die Juden zu Burg­haun sind verpflich­tet, dem Schul­theißen ein Pferd zum Höch­st­preis abzu­kaufen, ihm eine Büchse (Feuerwaf­fe, d.V.) zu überlassen, dem Rentmeister 2 Taler zu zahlen und etli­ches Geld zum Vertrin­ken dazulas­sen. Zum Schluss hatte man „die Jueden also mit guethem Willen Ziehen Lassen, mit der Zusagung daß es alles hingelegt sein solt.“

Der Ritter von Haun bittet seinen Landesherrn, es bei diesem Ver­gleich zu belassen, zumal es „nicht Breuchlich ist“, das jemand „Umb einer Undt gleichwohl Ungewissen Sachen halber Zweymahl gestrafft werden sollt.“ 

Das leuchtete dem Landgrafen offenbar ein. Doch der Schultheiß kam nicht ungeschoren davon, schließlich hatte dieser das behauptete Zollvergehen der Juden nicht an seine Kanzlei nach Kassel gemeldet. Und eine derart unkonventionelle Regelung zu treffen, vorbei an der landgräflichen Kasse – das ging gar nichtt! Er befahl also seinem Rentmeister in Roten­burg, den Schultheißen wegen Duldung des Zollvergehens der Burghauner Juden sowie wegen anderer Verstöße mit 200 Gulden Strafe zu belegen. 1)

Anmerkung:

1) Elisabeth Sternberg-Siebert: „Jüdisches Leben im Hünfelder Land - Juden in Burghaun“, 2. Auflage 2008 Seite 75, Michael Imhof Verlag, Petersberg, ISBN 978-3-932526-14-5

Das Buch hat 320 Seiten mit zahlreichen Abbildungen und ist erhältlich bei der Marktgemeinde Burghaun sowie im Buchhandel zum Preis von 22.- Euro.