Die jüdischen Gemeinden im Altkreis Hünfeld
In Buchenau waren schon vor 1700 Juden ansässig, wenngleich wohl nur einzelne Familien, die im Schutz der Ritter von Buchenau oder anderer örtlicher Adeligen standen wie der Familie von Schenk zu Schweinsberg.
Dem Kanton Rhön - Werra der Reichsritterschaft gehörten neben zahlreichen adeligen Mitgliedsfamilien auch die Adlesfamilien "von Buchenau" und "von Schenk zu Schweinsberg" an, die auf den Schlössern in Buchenau residierten. 1)
In einem Verzeichnis mit Datum 15. Januar 1731 der im ritterschaftlichen Kanton Rhön-Werra lebenden Schutzjuden, in welchem auch Buchenau aufgeführt ist, heißt es:
„Zu Buchenau und zugehörigem Dorf Erdmanroda Befindet sich dermahlen unter Ihro Hochfreyherrl. Gnaden Frau von Schenk im Schutze, ahn Judenschaft als folget;“
Genannt werden für Buchenau 16 Personen: Acht Männer und sechs „Weiber“ mit ihren Namen sowie zwei Töchter, die aber beide in Halberstadt dienen. Für Erdmannrode sind aufgelistet: namentlich ein Mann und ein „Weib“ sowie deren zwei Söhne, von welchen einer „dient in Heßenlandt“. Unterzeichnet und gesiegelt ist die Aufstellung von „Johann Bernhardt Fuhrmann, Gerichts Verwalther alda“. 2)
Auch die älteste Buchenauer Grabstätte auf dem zuständigen Zentralfriedhof in Burghaun von 1699 bezeugt die frühe Anwesenheit von Juden in Buchenau.
Da die "Schutzjuden" je nach der tonangebenden Herrschaft nur ein begrenztes Bleiberecht genossen, schwankte ihre Zahl beträchtlich. So finden wir in einem Steuerverzeichnis um 1775 unter Eiterfeld als einzigen Buchenauer Juden Hirz Katz (wahrscheinlich mit Familie) aufgelistet. Es ist auch möglich, dass weitere Familien in Buchenau lebten, aber so arm waren, dass sie nicht zur Steuer veranlagt wurden.
Eine selbstständige jüdische Gemeinde hat sich aber offensichtlich bald nach diesem Datum in Buchenau entwickelt.
In der Grundliste von 1826 für den Kreis Hünfeld sind 12 Haushaltungen mit 66 Personen in Buchenau verzeichnet. Die Haushaltsvorstände waren vorwiegend Handelsleute, zwei waren Schneider (einer auf Wanderschaft). Außerdem gab es einen Buchbinder, einen Schuhmacher und einen Schächter. Im Jahr 1850 nennt der Synagogenälteste Manche Rosenstock 12 arme Familien.
Die Blütezeit der Gemeinde kann aber nicht sehr lange gedauert haben, denn die Zahl der Gemeindeglieder nahm in den folgenden Jahrzehnten kontinuierlich ab. 1854 zählte man acht jüdische Haushalte mit 32 Personen, und 1875 wurden der königlichen Regierung in Kassel nur noch "17 Seelen" gemeldet.
1882 hatte sich die Synagogengemeinde aufgelöst und war Eiterfeld angegliedert worden. Buchenau zählte bei der Auflösung 2 Familien: Daniel Löbenstein und Heß Rosenstock. (in: Jüdische Schulchronik Eiterfeld)
1939 wohnten nur noch die Geschwister Rosenstock in Buchenau, ältere alleinstehende Leutchen, die in ihrem Haus in der Hermann-Lietz-Straße eine Gastwirtschaft mit Metzgerei führten. Fünf von ihnen lebten dort bis zum bitteren Ende. Am 5.9.1942 wurden sie mit dem Zug vom Eiterfelder Bahnhof über Kassel nach Theresienstadt und andere Todeslager verschleppt. Alle wurden sie Opfer des Holocaust: Manchen, Levi, Malchen, Veilchen und HeleneRosenstock. - Über ihr Schicksal wird in dem Kapitel "Die letzten Juden in Buchenau" ausführlich berichtet.
Zur Synagoge
Aus einer alten Akte erfahren wir, dass es in Buchenau eine Synagoge gab. Nach Aussage des Synagogenältesten Manche Rosenstock im Juni 1850 muss die damalige Synagoge oder Betstube schon seit "unvordenklicher Zeit" für den Gottesdienst zur Verfügung gestanden haben. Sie war aber seit Jahren so baufällig, dass auch die Behörden einen Neubau empfahlen. Das Ende des alten Synagogengebäudes schien gekommen:
- Am 8. August 1851 untersagten die Behörden aus Sicherheitsgründen die weitere Benutzung des Hauses.
- Am 3. März 1852 wird der Nachbar Christian Manns beim Kurfürstlichen Landratsamt in Hünfeld vorstellig und erklärt, dass die Synagoge „droht, jede Minute einzustürzen“, er bittet darum, sie wegen Gefährdung abreißen zu lassen.
- Darauf weist das Amt den Buchenauer Bürgermeister Moost an, die Synagoge abzusperren und ihr Betreten unter Strafe zu stellen.
- Am 15. Mai 1852 verlangt der Landbaumeister Herrmann nach einer Besichtigung und Begutachtung vom Königl. Landratsamt die sofortige Niederlegung der baufälligen Synagoge.
- Nachdem sich also auch der Landbaumeister von der Einsturzgefahr überzeugt hat, wird die jüdische Gemeinde angewiesen, die Synagoge abbrechen zu lassen, was schließlich am 2. Juni 1852 auch
geschah.
Am 3. Juli 1850 hatte der Synagogenälteste Manchen Rosenstock einen Aufriss und Kostenanschlag für einen Neubau an der Stelle der alten Synagoge bei dem Kurfürstlichen Verwaltungsamt eingereicht, verbunden mit dem Gesuch einer finanziellen Unterstützung. Denn die arme Gemeinde konnte die anfallenden Kosten von etwa 300 Talern allein nicht aufbringen. Man hoffte aber, durch eine Hauskollekte in den jüdischen Gemeinden der damaligen Provinz Fulda sowie einen staatlichen Zuschuss das nötige Geld aufzubringen.
Der Landbaumeister versagte aber dem Neubau auf dem Platz der alten Synagoge die Genehmigung, da der Bauplatz zu klein und beengt sei. Die Buchenauer Juden sollten sich nach einem besseren Bauplatz umsehen oder ein geeignetes Haus ankaufen.
Aber anscheinend hielt man an dem Plan fest, einen neuen Betsaal auf dem alten Platz der Synagoge zu errichten. Das äußert der Synagogenälteste Manchen Rosenstock Ende November 1852 in einem Schreiben, in welchem es um die erforderliche Einrichtung eines neuen Frauenbades (Mikwe) geht:
"Ich habe mit den Gemeindemitgliedern Beratung über das zu erbauende Frauenbad und Rücksprache genommen. So hat sich erklärt das Mitglied Abraham Katz und wollte einen Platz hergeben, der sich zu einem Frauenbad eignet und wollte von der Gemeinde nichts dafür haben, indem wir eine neue Synagoge späterhin bauen werden auf dem alten Platz, aber zu einem Frauenbad eignet sich der solche nicht. "
Wo nach der Schließung der alten Synagoge (8.8.1851) der Gottesdienst stattfand, wird leider nicht berichtet. Auch erfährt man nicht, was aus den ganzen Plänen wurde, denn die Akte schließt im Mai 1853 ohne konkrete Hinweise. 3)
Zurück bleiben Fragen: Hat man nun das geplante Gebetshaus erbaut? Oder hat man ein geeignetes Haus gekauft, vielleicht auch gemietet?
Dass tatsächlich eine neue Synagoge erbaut wurde erscheint höchst zweifelhaft, denn die Zahl der Gemeindeglieder sank in den Folgejahren stark ab, auf 32 Personen bereits im Jahr 1854! Auch spricht die Mitteilung des Lehrers Isack Fauerbach in der jüdischen Schulchronik von Eiterfeld dagegen, er schreibt dort nämlich: "Vom Jahre 1865 an nahmen die Israeliten von Buchenau am hiesigen Gottesdienste teil. Nachdem diese aber im Jahre 1879 zu den Kosten der Kultus-Verwaltung beitragen sollten, blieben sie vom Gottesdienste fern und schlossen sich einstweilen der Gemeinde Erdmannrode an. Das Schulverhältnis blieb unverändert." 4)
Nach Hörensagen könnte sich im Haus Buchenau Nr. 30 im 19. Jahrhundert eine Betstube (Synagoge) befunden haben.
Es gibt bisher dafür aber keine Belege.
Foto: Peter Schaaf, Buchenau
Zur Schule
In einer Aufstellung von 1842 über die Schulverhältnisse in den jüdisches Gemeinden des Kreises Hünfeld heißt es zu Buchenau: "Die Kinder besuchen die christliche Schule des Ortes und ist allda weiter keine Schulanstalt." 5) Wo sie Religionsunterricht erhielten ist nicht bekannt, vermutlich aber in Eiterfeld. Ab 1860 gingen sie dann zur neu eingerichteten jüdischen Volksschule nach Eiterfeld.
Von April 1931 bis Januar 1932 besuchte als einziges jüdisches Kind Hans Rosenstock die Buchenauer Volksschule zusammen mit den christlichen Kindern.
Mehr über Buchenauer Juden hier:
Anmerkungen:
- Adelige Mitgliedsfamilien im Kanton Rhön-Werra der Reichsritterschaft: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Reichsritterschaft,_Kanton_Rh%C3%B6n_und_Werra#Mitgliedsfamilien
- Sammlung Dr. Michael Imhof, Fulda - Akte HStA Marburg Bestand 109 Nr. 1622
- HStA Marburg Bestand 180 LA Hünfeld Nr. 603, Reparaturen an der Synagoge zu Buchenau
- Jüdische Schulchronik von Eiterfeld, Original: Jüdische Gemeinde Fulda - Kopie: Sammlung Elisabeth Sternberg-Siebert, verkürzt hier: Schulchronik Eiterfeld
- Elisabeth Sternberg-Siebert: Jüdisches Leben im Hünfelder Land - Juden in Burghaun, Michael Imhof Verlag 2001, S. 29