Aus der Schulchronik der jüdischen Elementarschule in Hünfeld 1904 - 1924
(Abschrift)
Schul-Chronik
der israelitischen Elementarschule
zu Hünfeld
aufgestellt den 10. Februar 1904
von dem Lehrer Braunschweiger
Stellenantritt
Laut Verfügung hoher Königlichen Regierung zu Cassel vom 3. Januar 1904 ist der Lehrer Braunschweiger zum Lehrer der hiesigen israelitischen Elementarschule ernannt worden.
Habe keine Schulchronik vorgefunden und ist mir nur Folgendes bekannt geworden:
Vor meinem Antritt ist die Stelle 3 Jahre von Vertretern versehen worden und zwar 2 Jahre durch Herrn Lehrer Halle und 1 Jahr durch Herrn Lehrer Gold. Der Inhaber der Stelle, Herr Lehrer Lorge, amtierte an hiesiger Stelle seit dem Jahre 1889 und wurde am 1. Oktober 1903 von hoher Königlicher Regierung pensioniert, nachdem er wegen Krankheit vorher 3 Jahre beurlaubt war.
Das Schulgebäude ist im Jahr 1888 erbaut worden und enthält die Synagoge, das Schulzimmer und eine Dienstwohnung.
Im Jahre 1889 wurde die hiesige Schule staatlich; vorher besuchten die Kinder die hiesige katholische Elementarschule und wurde der Religionsunterricht durch Herrn Lehrer Strauß, Burghaun und Herrn Lehrer Emmerich, Rhina erteilt.
Die Schule steht unter Aufsicht des Lokalschulinspektors Sr. Hochwürden Herrn Dechant Schmelz zu Hünfeld. - Im Jahre 1904 wurde die Schule von 4 Kindern besucht.
vot.(?) 10. 3. 14
Schmelz
Am 1. Oktober 1904 wurde Herr Dechant Schmelz von hoher Königlicher Regierung zum Kreisschulinspektor des Kreises ernannt.
Die Geburtstagsfeier Sr. Majestät des Kaisers wurde durch einen Vortrag des Lehrers an die Kinder sowie durch Gesang und Deklamationen begangen.
Am 10. März 1905 hielt der Kreisschulinspektor Sr. Hochwürden Herr Dechant Schmelz Prüfung ab und wurde die Schule im Jahre 1904/05 nur von 3 Kindern besucht. Der Schulbesuch war regelmäßig.
Ostern 1906 wurden 4 Kinder aufgenommen, 1 Schüler aber entlassen, welcher die hiesige Lateinschule besucht. Die Schule wird gegenwärtig von 6 Kindern besucht.
Gesehen den 13. Mai 1908
Battermann Reg.- und Schulrat
Ostern 1908 wurden 2 Kinder aufgenommen, jedoch 3 entlassen, wovon 2 die hiesigen höheren Schulen besuchen, sodaß im Schuljahr 1908/09 noch 5 Kinder die Schule besuchen.
Am 13. Mai 1908 wurde die Schule durch den Herrn Reg.- u. Schulrat Battermann aus Cassel revidiert und war Herr Schul = u. Regierungsrat mit den Leistungen der Schule zufrieden. Außerdem findet alljährlich durch den Kreisschulinspektor Herrn Dechant Schmelz, Hochwürden, vor Ostern Schulprüfung statt.
Am 1. November 1908 wurde die Schule von 5 Kindern besucht.
(Amtl. Schulblatt Nr. 4 v. 1. Juli 1908)
vot.(?) 26. 3. 09
Kreisschulinspektor Schmelz
Am 1. Mai 1909 wurde die Schule von 4 Elementar-, außerdem von 5 Religionsschülern besucht. Am 1. November 1909 wurde die Schule von 4 Elementarschülern, außerdem von 4 Religionsschülern besucht.
1. Mai 1910 5 Elementar- 3 Religionsschüler
1. Novbr. 1910 4 Elementar- 1 Religionsschüler
Ges. 29. März 1911
Kreisschulinspektor Schmelz
1. Mai 1911 7 Elementar- 1 Religionsschüler
1. November 1911 7 Elementar- 1 Religionsschüler
1. Mai 1912 9 Elementar- 4 Religionsschüler
1. Novbr. 1912 9 Elementar- 4 Religionsschüler
von Jagemann 28/I 1913
1. Mai 1913 9 Elementar- 4 Religionsschüler
1. Novbr. 1913 8 Elementar- 4 Religionsschüler
1. Mai 1914 8 Elementar- 5 Religionsschüler
1. Novbr. 1914 8 Elementar- 5 Religionsschüler
1. Mai 1917 6 Elementar- 10 Religionsschüler
1. Novbr. 1917 6 Elementar- 10 Religionsschüler
Durch das Gesetz über „das Diensteinkommen der Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen Volksschulen“ vom 26. Mai 1909 wurde das Grundgehalt der hiesigen Stelle von 1200 M auf 1400 M, der der Einheitssatz der Alterszulage von 130 M auf 200 M erhöht.
Herr Dechant Schmelz, Hochwürden hielt am 29. März 1911 Schulprüfung ab. Am 24. April 1911 wurden 3 Kinder aufgenommen und wird die Schule gegenwärtig von 7 Kindern besucht.
Ges. 13. 3. 12 Schmelz
Ostern 1912 wurden 3 Schüler zwecks Übertritts in die hiesige Lateinschule entlassen und 4 Schüler aufgenommen, sodaß die Schule im Schuljahr 1912/13 von 8 Elementar- und 4 Religionsschülern besucht wird.
Durch Beschluß Königlicher Regierung zu Cassel vom 1. Mai 1911 wurde das Kultusamt der hiesigen Stelle als organisch verbunden erklärt und als Vergütung 200 Mark festgesetzt.
Auf sein Ersuchen wurde am 1. Juli 1912 Sr. Hochwürden Herr Dechant Schmelz als Kreisschulinspektor von Kgl. Regierung entlassen und Sr. Hochwürden Herr Pfarrer von Jagemann aus Burghaun als Nachfolger ernannt.
von Jagemann
Kgl. Kreisschulinspektor 28/I 13
Am 28. Januar 1913 hielt Herr Kreisschulinspektor von Jagemann aus Burghaun zum erstenmale in hiesiger Schule Prüfung und war derselbe mit den Leistungen der Schule nach meinem Dafürhalten recht zufrieden.
Am 10. März 1913 fand auf Anordnung Sr. Majestät des Kaisers und Königs und der Königlichen Regierung eine patriotische Schulfeier zum hundertjährigen Gedenktage der Stiftung des Eisernen Kreuzes und dem Geburtstage der Königin Luise statt. Es wurden mehrere patriotische Lieder gesungen, mehrere Gedichte vorgetragen, und durch einen Vortrag des Lehrers wurden die Kinder auf die einmütige Erhebung des preußischen Volkes vor 100 Jahren gegen den Erbfeind aufmerksam gemacht und zur Anhänglichkeit an Kaiser und Reich ermahnt.
30. 3. 14 vot. Schmelz
Am 30. März 1914 besuchte Herr Ortsschulinspektor Schmelz die Schule und prüfte in allen Fächern. Er sprach sich recht anerkennend über die Leistungen aus und ermahnte die Kinder auch weiterhin recht fleißig zu sein.
Ostern 1914 wurde eine Schülerin entlassen, jedoch 2 Kinder neu aufgenommen und wird die Schule gegenwärtig von 8 Elementarschülern besucht.
Ostern 1915 wurden 3 Kinder der hiesigen Lateinschule und der hiesigen „Höheren Mädchenschule“ überwiesen, ein Schüler wurde aufgenommen und wird die Schule gegenwärtig von 6 Elementar- und 7 Religionsschülern besucht.
Durch Ausbruch des Krieges im Jahre 1914 wurde der Lehrer am 4. Juni 1915 zum Heere einberufen, war bis zum 26. Juni auf dem Truppen-Übungsplatz Ohrdruf (Thüringen) und rückte dann mit dem Landsturm Infanterie-Regiment Nr. 11 ins Feld nach Russ.-Polen.
Die Reise ging über Gotha, Erfurt, Apolda, Weimar, Leipzig, Torgau, Kottbus, Posen, Gnesen, Thorn, Os(?)tsch-Eylau, Soldau bis Wolka.
Anfangs August erkrankte der Lehrer an Typhus und kam in die Lazarette nach
Plonsk (Polen) v. 3. Bis 13. August
Cichocinek (Polen) v. 13. August bis 19. Septbr.
Halle a.d. Saale v. 20. Septbr. Bis 24. Oktobr.
Halberstadt (Casino) v. 24. Oktbr. Bis 31, Januar 1916
Halberstadt (Walderholung) v. 31. Januar bis 14. April 1916
Durch Reklamation des Herrn Kreisschulinspektors und der Königlichen Regierung wurde der Lehrer, nachdem er vom Stabsarzt beim Ersatzbataillon Nr. 27 in Halberstadt für „dauernd garnisondienstfähig“ erklärt wurde, am 14. April 1916 zur Ausübung seines Berufes entlassen und begann den Unterricht am 2. Mai.
Die Schüler besuchten während der Einberufung die hiesige katholische Stadtschule und wurde der Religionsunterricht durch Herrn Lehrer Strauß Burghaun erteilt.
Gegenwärtig wird die Schule von 5 Elementar- und 10 Religionsschülern besucht.
Gesehen den 5. Juni 1916
Battermann ... (?) Reg. u. Sch.Rath
Hünfeld, den 3. Mai 1916
L. Braunschweiger, Lehrer
(1)
Anmerkungen:
1) Die 1979 in Israel erstellte Kopie der Hünfelder Schulchronik im damaligen Besitz von Dr. Hermann Brosh (= H. Braunschweiger, Sohn von Lehrer Liebmann Braunschweiger) wurde mir von Renate Chotjewitz - Häfner am 10. September 2006 übergeben. Die von mir transkribierte Chronik enthält Angaben von 1904 bis 1916 resp 1917. Es handelt sich offensichtlich um ein Fragment.