In Witzenhausen am Wohnort der Familie Wallach
Gil Keness berichtet vom Besuch in Witzenhausen:
"Wie in Burghaun war auch der Besuch in Witzenhausen gut vorbereitet und dementsprechend sehr gelungen. Der Höhepunkt war die Zeremonie im Friedhof und die Kranzniederlegung am Denkmal für die Holocaust Opfer, darunter unsere Verwandten David und Rudolph Grünbaum (Ehemann und Sohn von Amalia Wallach, welche überlebte und nach Amerika kam).
Einige von unserer Gruppe haben eine Rede gehalten, und so war es ein sehr aufregendes und unvergessliches Ereignis für uns alle.
Anschließend hat uns der Herr Roeper (vom Stadtarchiv) durch die Stadt geführt und wir durften in das Haus eintreten, in dem meine Mutter (Erika Keness geb. Wallach) ihre Kindheit verbrachte. Dann gingen wir auch zum ehemaligen Haus von David und Amalia Grünbaum, wo eine Gedächtnistafel an das schreckliche Schicksal von deren Sohn Rudolph erinnert.
Ich habe bei der Zeremonie am Grab meines Urgroßvaters Marcus Wallach eine Rede gehalten, die ich so geschrieben habe, als wäre ich Zeuge bei seiner Beerdigung vor 81 Jahren gewesen... "
Rudolph Grünbaums Schicksal
Rudolph (*1912) war geistig behindert, jedoch in einem für die jetzt lebenden Nachkommen unbekannten Ausmaß. Im Brief eines Freundes an die bereits geflohenen Verwandten heißt es über ihn: "Rudolph ist groß und stark und hat Kräfte wie ein Gaul, schade dass er sie nicht irgendwo produktiv anwenden kann. Er „tröstet“ sich eben im Dauer-Skat, womit für ihn jedes Problem gelöst ist."
Es ist gut möglich, dass Rudolf aufgrund seines Handycaps nicht zur Auswanderung nach Amerika berechtigt war, seine Eltern ihn aber nicht allein zurücklassen wollten. Tatsache ist, dass alle anderen Grünbaumkinder es geschafft haben, frühzeitig nach USA auszuwandern, während die Eltern Malchen und David Grünbaum mit Rudolph die "Kristallnacht" in Witzenhausen erleben mussten.
Rudolph hat man besonders übel mitgespielt, indem man ihn brutal aus dem Haus zerrte, ihn verprügelte und quälte und in den Brunnen am Marktplatz warf. Am nächsten Tag wurde er schließlich mit den anderen Männern für mehrere Wochen ins Konzentrationslager Buchenwald abtransportiert, wo weitere Gewaltexcesse und Demütigungen an der Tagesordnung waren!
Diese Greueltat erfuhren die Angehörigen in Witzenhausen, und sie verfolgt sie seither. Wahrlich eine Geschichte zum Weinen - nicht nur für die Verwandten!
David und Amalia Grünbaum wurden also am 7. September 1942 zusammen mit ihrem Sohn Rudolf nach Theresienstadt deportiert. Rudolf kam mit dem Transport vom 29. Januar 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz, wo er am 15. Februar 1943 ermordet wurde.
Amalia und David Grünbaum überlebten Theresienstadt. Doch David starb auf tragische Weise kurz nach der Befreiung, weil sein schwacher und ausgezehrter Körper das normale Essen nicht vertragen hatte.
Amalia kam schließlich als einzige nach Amerika zu den übrigen Familienangehörigen.
In welcher Not und Bedrängnis sich die Juden nach den schrecklichen Ereignissen der "Kristallnacht" auch in Witzenhausen befanden, geht aus einem Brief von Max Verständig, einem Freund der Familie Wallach, hervor: